Bielefeld. Ein bisschen Berliner Hinterhof-Aptitude in Bielefeld: ein neuer Kult-Flohmarkt schafft das. Ob im Bielefelder Westen oder im Osten, hier vor allem entlang der offen gelegten Lutter – Hunderte Menschen feierten einen jener Flohmärkte, die sich seit einiger Zeit etablieren und so anders sind als die bisher etablierten. Vor zwei Wochen öffneten rund um den Botanischen Garten dutzende Bielefelder ihre Türen und bauten im Vorgarten oder Carport Flohmarktstände auf, jetzt hieß das Ganze zum vierten Mal “Hier und da” – und das Motto passte.
Hier und da gab es etwas zum Stöbern, hier und da Leckeres zum Essen, hier und da nette Gespräche mit entspannten Leuten. Haufenweise Kinder tobten umher, vor allem an der Lutter hatte “Hier und da” häufig eher Fest-Charakter als Flohmarkt-Charakter. Ein typisches Beispiel für die Atmosphäre: Sebastian Kunze mit seinem etwas porzellanlastigen Stand – und einer aufgebauten Tischtennisplatte. Er spricht jeden an, lockt mit “50 Cent Rabatt auf alles an meinem Stand”; wenn, ja wenn, man ihn an der Platte im Spiel bis drei Punkte, schlägt. Er verrät augenzwinkernd den Trick: “Wenn der andere sich schwer seinen Sieg erkämpft hat, dann kauft er auch, weil er ja Rabatt bekommt.” Ist das so?
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Sachen rausholen und ab geht’s
Er muss selbst lachen, ist vielleicht doch etwas mehr Küchenpsychologie als Realität: “Ich habe bisher vielleicht zehn, maximal zwanzig Euro verdient.” Für ihn steht fest: “Das ganze Porzellan muss endlich mal raus bei mir.” Und es sei so herrlich unkompliziert: “Einfach die Sachen raus aus dem Keller holen – und ab geht die Luzie.”
Das ist es, was von West bis Ost alle lieben – es ist locker und ohne Standgebühren, alles läuft eng mit der Nachbarschaft verbunden, und es geht mittags erst los. Unbeachtete Hinterhöfe werden so sichtbar, Bielefelder entdecken neue Orte. Und die Anwohner haben Spaß. “Im Vordergrund steht hier nicht das Geldverdienen, sondern der Spaß an der Sache”, sagt Kunze. Das sehen viele so, auch wenn sie natürlich nichts gegen das Geldverdienen haben.
Mareike Holthöfer könnte dafür sinnbildlich stehen: Sie freut sich schon über einige Hundert Euro Einnahme, aber genauso über den Tag und dann den Abend. Der wird im Innenhof gefeiert, mit den Nachbarn. Es wird schön gegessen, die Kinder können toben, der Tag soll in der Gemeinschaft ausklingen. Wer eine Celebration braucht, kann in der Additional Blues Bar die Abschlussparty von “Hier und da” genießen. Holthöfer: “Es ist einfach megacool, es ist ein echt schönes Nachbarschaftsfest – und deshalb bin ich hier immer dabei.”
Überall Freunde und Nachbarn
Ein Gegenentwurf zu klassischen Flohmärkten? Nein, so sieht sie es nicht, sie geht auch gerne mal zum Klosterplatz – es sei eher “etwas ganz anderes”. Sachen rausholen, loslegen, ohne Autofahrt. Werden wie dieses Mal mehr Erwachsenenklamotten als Kindersachen verkauft, geht sie eben noch einmal schnell rein und stöbert, was vielleicht noch verkauft werden könnte. Und überall Freunde und Nachbar, herrlich.
Luftballons markieren oft die Eingänge zu den Gärten und Höfen, sie flattern quick schon sinnbildlich an ihren Bändern in der Sonne hin und her.
2024 noch größer
Auch Mehtap Yilmaz-Gerlich ist begeistert, sie blickt schon einmal nach vorne: “Wir hier an der unteren Ravensberger Straße wollen uns 2024 vergrößern, es gibt hier viele Vorgärten, in denen dann auch Stände stehen sollen.” Für sie steht fest, dass “Hier und da” den Bielefelder Osten stärke, “viele machen mit, es etabliert sich hier”. Und, so Yilmaz-Gerlich: “Es macht nicht nur Spaß, es lohnt sich auch.” Spürbar: Die nun offen fließende Lutter mit ihrem besonderen Aptitude hat Brücken gebaut in den Bielefelder Osten, die Atmosphäre ist einzigartig in Bielefeld, und das noch mehr, wenn ein unkonventioneller Flohmarkt wie “Hier und da” lockt.